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H.G. Butzko über die Debatte im deutschen Bundestag über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms... WITZIG!
"Die Debatte im deutschen Bundestag über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirm war eine Sternstunde des Parlamentarismus. Endlich darf Frau Merkel nicht mehr einfach bestimmen, was gemacht wird, sondern jeder Parlamentarier darf nach bestem Wissen und Gewissen darüber abstimmen, ob er dafür oder dagegen ist, dass Frau Merkel einfach bestimmen darf, was gemacht wird.
Außer natürlich, man ist Mitglied der Regierungskoalition, dann darf man nur abstimmen, dass man dafür ist. Denn wenn man dagegen ist, wie z. B. Wolfgang Bosbach, kann es schon mal passieren, dass ein gewisser Ronald Pofalla einem entgegen ruft: "Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen. Ich kann deine Scheiße nicht mehr hören." Ist das nicht geil? Es gibt zwar Gerüchte, dass er diese Rede zunächst vor einem Spiegel einüben musste, um den richtigen Ton zu treffen. Aber die Schalker Fankurve hat bereits kommentiert, dass man von diesem Niveau noch viel lernen kann und Herrn Pofalla angeboten, beim nächsten Spiel in Bayern München die Protestgesänge gegen Manuel Neuer anzuführen.
Und da macht es natürlich auch Sinn, wenn die Regierung argumentiert, der Euro sei ein Garant für den Frieden in Europa. Denn immer, wenn ich mir die Bilder der letzten Wochen und Monate z. B. aus Athen, Barcelona und London vor Augen geführt hatte, hab ich mich natürlich schon gefragt, ab wann für unsere Regierung eigentlich Unfrieden beginnt. Jetzt weiß ich, erst wenn ein Mitglied der Regierungskoalition nach besten Wissen und Gewissen dagegen ist, dass Frau Merkel einfach bestimmen darf, was gemacht wird, schickt Wolfgang Schäuble das Rollkommando los. Und wenn einer schon Pofalla heißt, ist er natürlich auch bestens dafür geeignet, der Kanzlerin in den Arsch zu kriechen. Oder wie ich schon sagte, eine Sternstunde des Parlamentarismus.
Auch der Koaltitionspartner FDP hat sich von seiner besten Seite gezeigt. Spätestens nach dem Debakel bei den Senatswahlen in Berlin weiß die Boygroup um Philipp Rösler und Patrick Lindner, was die Stunde geschlagen hat, nämlich Sperrstunde. Kein Wunder also, dass in so einer stürmischen Zeit das alte Schlachtschiff Rainer Brüderle auf die Brücke geschickt wird, um bei der Bundestagsdebatte die Position der FDP zu vertreten. Und was man da zu hören bekam, wurde zu einem leuchtenden Fixstern am Firmament der deutschen Rhetorik. Ich zitiere wortwörtlich und silbengenau:
"EINES HAT ROTGRÜN EUROPA BESCHLOSSEN, NEMIS DASS WENN DEUTSCHLAND EXPORTERFOLGE HAT SIE IN DER MAKROÖNOMIE SIE ZURÜCKFÜHREN MÜSSEN. DAS ERKLÄREN SIE MAL DEN ARBEITNEHMERINNEN, DEN BETRIEBSRÄTEN, UND DEN GEWERKSCHAFTEN, WENN DEUTSCHER FLEISS UND ANSTRENGUNG ZU ERFOLGEN FÜHRT, DASS WIR DAS EINSEITIG ZURÜCKFÜHREN, DAS IST IHRE POLITIK."
Hierbei irritiert natürlich weniger, dass Form und Inhalt offenkundig einem Paralleluniversum entstammen, sondern vielmehr die Tatsache, dass es dafür Applaus von der FDP-Bundestagsfraktion gab. Und das ist in der Tat schon besorgniserregend, denn das sagt uns, dass die Abgeordneten der FDP ihren Vorsitzenden verstanden haben. Als einzige im Saal. Und da wundern die sich über ihre Wahlergebnisse.
Aber nachdem schon meine Oma immer zum Besten gab, dass Kinder und Betrunkene stets die Wahrheit sagen, wollte Rainer Brüderle sich auch nicht lumpen lassen und legte nach, und zwar abermals wortwörtlich und silbengenau:
"WARREN BUFFET HAT DIE HEBELPRODUKTE ALS MASSENVERNICHTUNGSWAFFEN BEZEICHNET. DIESER UNFUG MUSS BLEIBEN, DASS WIR DIESEN VERSUCHUNGEN WIDERSTEHEN. WENN WIR DAS MACHEN, HERR STEINBRÜCK KOMMEN WIR AUF DIE SCHIEFE EBENE."
Und jetzt mal ehrlich - da gibt man sich als Kabarettist ständig Mühe, etwas pointiertes zur Eurokrise zu liefern, und dann kommt Rainer Brüderle daher und zeigt uns, wo der Satirehammer hängt.
Aber das alles war noch gar nicht das Glanzstück, das uns diese Sternstunde des deutschen Parlamentarismus beschert hat. Denn ein Kamerateam des ARD-Politmagazins "Panorama" hat vor der Debatte im Bundestag etliche Parlamentarier quer durch alle Fraktionen darauf angesprochen, ob sie eigentlich wüssten, worum es bei der "wichtigsten Entscheidung dieser Legislaturperiode" im Detail überhaupt geht. Dabei wurden so wahnsinnig komplizierte Fragen gestellt, wie hoch die Summe ist, über die sie abstimmen sollen, ob auch Banken gerettet werden, und welche Länder bereits unter den Rettungsschirm gekrochen sind.
Zu sehen waren in diesem Beitrag die Abgeordneten:
Aydan Özuguz, SPD Hamburg
Günter Gloser, SPD Nürnberg
Kathrin Vogler, DIE LINKE Steinfurt
Gabriele Fograscher, SPD Donauwörth
Albert Rupprecht, CSU Weiden
Frank Schwabe, SPD Recklinghausen
Detlef Seif, CDU Euskirchen
Norbert Geis, CSU Aschaffenburg
Hans-Joachim Hacker, SPD Schwerin
Carsten Sieling, SPD Bremen
Und ob Ihr es glaubt oder nicht, das alles sind Leute, die von uns dafür bezahlt werden, unsere Interessen zu vertreten und Schaden von uns abzuwenden, und sie alle hatten nicht die geringste Ahnung, warum sie eigentlich morgens ihr Bett verlassen haben, geschweige denn überhaupt geboren wurden. Und da wundern wir uns, warum die Banken uns an der Nase durch den Ring ziehen.
Ich weiß ja nicht, mit welchen Argumenten diese Blender und Berufsschwänzer bei der letzten Wahl ihre Mandate erworben haben, aber wenn solch ein genetischer Sondermüll es noch ein mal wagen sollte, sich als verlässlich, kompetent und vertrauenswürdig zu präsentieren, sollten wir uns vielleicht auch mal etwas wagen, nämlich Streichhölzer und Benzin zu besorgen, und Ausschau nach dem nächtlichen Autoparkplatz dieser Arschgeigen zu halten. Schließlich soll sich Leistung ja lohnen!"
YEAH!
Ebenfalls genial ist Butzkos Abhandlung über RATING-AGENTUREN.
Ich weiß, ist viel zu lesen, lohnt sich aber wirklich. Habe auch für die ungeduldige Twitter-Generation bereits hier und da gekürzt...
"In den letzten Tagen hören wir immer wieder davon, dass eine Rating-Agentur ein Land wie z.B. Griechenland, oder Irland, oder Italien herabgestuft hat. (...) Nur, was genau macht eigentlich so eine Rating-Agentur? Nun, eine Rating-Agentur hat die Aufgabe übernommen, bei allem, wo man Geld investieren kann, vorher mal zu überprüfen, wie denn die Chancen stehen, in der Zukunft genau da sein Geld zu vermehren oder zu verlieren. Mit Betonung auf: «in der Zukunft»! Das heißt, im Grunde genommen sind Rating-Agenturen also ganz ähnlich diesen Gruselköppen, die im Fernsehen auf den hinteren Kanälen Nacht für Nacht irgendwelchen Anrufern die Karten legen. Haben Sie das schon einmal gesehen? AstroTV heißt das.
(...)
Und von diesen Rating-Agenturen gibt es übrigens nur drei auf der ganzen Welt. Und die sitzen alle drei in den USA. Und allein, wie die schon heißen, bestätigt das alte lateinische Nomen est Omen. Eine heißt nämlich Standard & Poor's, das heißt auf Deutsch: Norm & Arm. Die zweite Rating-Agentur heißt Moody's, und das heißt übersetzt: launisch. Und die dritte nennt sich Fitch, zu Deutsch: Iltis. Und genauso bescheuert, wie das klingt, ist auch die Rolle, die diese drei Rating-Agenturen seit einiger Zeit spielen.
Denn genau diese drei Rating-Agenturen waren es, die vor einigen Jahren gewisse amerikanische «Immobilien-Subprimekredite» mit AAA-Superspitzeklassetoll bewertet hatten und dadurch die Finanzkrise auslösten. Und das, obwohl sie ganz genau wussten, dass diese Kredite 100 Prozent Schrott sind. Diese Beurteilung war aber weder eine Fehleinschätzung noch ein Missverständnis, sondern denen war vollkommen bewusst, dass sie bezüglich der Ramschkredite nicht die Wahrheit sagten. Zwischenzeitlich ist nämlich eine E-Mail aufgetaucht, in der einer dieser Rating-Agenten einem anderen schrieb: «Hoffentlich sind wir längst in Rente, wenn dieses Kartenhaus zusammenbricht.» Und eine solche Befürchtung so zu formulieren erinnert an die Worte des großen deutschen Philosophen Rudi Assauer, der einmal sagte: «Wenn der Schnee schmilzt, kommt die Kacke zum Vorschein.»
Und man soll es nicht für möglich halten, aber es wurde Frühjahr, der Schnee schmolz, und was da zum Vorschein kam, übertraf alles, was menschliche Phantasie sich vorzustellen bislang überhaupt imstande war.
Man stellte nämlich fest, dass diese Rating-Agenturen nicht nur die Welt in die Katastrophe geritten hatten, sondern sich anschließend auch noch auf das Recht der freien Meinungsäußerung beriefen und ihre Unschuld bekundeten mit der Begründung, sie würden bei einer Bewertung doch lediglich eine Meinung äußern. Und wissen Sie was? Das stimmt sogar. Wenn so eine Rating-Agentur ein bisschen Mist erzählt, wo ist das Problem? Nirgends. Eben. Wenn Nostradamus das darf, warum dann nicht auch eine Rating-Agentur?
Ein Problem entsteht nämlich erst in dem Moment, wenn Politiker die Banken per Gesetz dazu verpflichten, ihre Finanzprodukte zuvor von diesen Agenturen überprüfen lassen zu müssen. Genial, oder? Das ist ungefähr so, als würde Ihr Bürgermeister sagen: «Bevor sich jemand bei uns im Ort von irgendjemandem Geld leihen will, muss er zuvor den erwiesenen Haushaltsexperten Butzko um seine Meinung bitten.» Dann würden Sie als Bürger sich doch auch fragen: Wer ist hier eigentlich der Blödere? Der Butzko oder der Bürgermeister? Antwort: Die Bürger, die so was zulassen.
Denn die Banken waren nicht so blöd. Die haben sich gesagt: Wenn die Politik uns diesen Rating-Agenturen verpflichtet, dann lass uns doch gleich mit denen verflechten. Diese Rating-Agenturen sind schließlich keine staatlichen Institutionen, sondern unabhängige Privatunternehmen. So unabhängig man nun mal sein kann, wenn man Profit machen will. Und dann haben die Banken die Politiker gefragt: «Wenn diese profitabhängigen Rating-Agenturen unsere Papiere untersuchen müssen, wer soll die dafür bezahlen? Wir? Oder der Steuerzahler?» Und wenn irgendwo auf der Welt ein Politiker die Chance wittert, sich mit Steuereinsparungen beim Wähler einzuschleimen, springt ihm sofort ein kleiner blond gewellter FDP-Jüngling auf die Schulter und quakt ihm ins Ohr. Also einigte man sich nach zähen Verhandlungen und knallharten Abwägungen - also innerhalb von fünf Minuten - darauf, dass die Banken das bezahlen sollen. Und anschließend präsentierten sich alle als Gewinner: die Steuerzahler, die Politiker und die Banken. Aber nur bei Letzteren war das auch wirklich gerechtfertigt. Denn was kam dabei am Ende heraus? Stellen Sie sich einmal vor, der TÜV in Deutschland wäre nur eines von drei profitorientierten Konkurrenzunternehmen. Und dann wäre da ein Gebrauchtwagenhändler, der für ein ziemlich stark verrostetes Auto eine Fahrgenehmigung haben möchte. Dieser Gebrauchtwagenhändler klappert nun mit seiner Rostkarre alle konkurrierenden TÜVs ab und sagt jedes Mal: «Ich brauche für dieses Fahrzeug ein günstiges Testergebnis.» Und dann wedelt er mit einem Geldschein und fragt: «Wer will den Auftrag?»
(...)
Aber angesichts dieser Abhängigkeit von Banken und Rating-Agenturen braucht man sich doch also nicht zu wundern, wenn Schrottkredite Bestnoten erhalten. Und jetzt kommt schon wieder ein Hammer: Das alles wäre auch kein Problem. Wenn die Banken diese Agenturen bezahlen, was soll's? Dann äußert der erwiesene Haushaltsexperte Butzko eben seine Meinung und wird von ihnen dafür bezahlt, na und?
Aber unsere Politiker waren noch genialer. Die haben nämlich nicht nur die Banken, also die Verkäufer, verpflichtet, ihre Produkte von Rating-Agenturen überprüfen zu lassen. Sie haben auch die Käufer verpflichtet, auf diese Rating-Agenturen hören zu müssen. Versicherungen zum Beispiel sind per Gesetz verpflichtet, ihr Geld nicht unter AA anzulegen. Und «AA» heißt in der Kleinkindsprache: Wehe, wenn der Schnee schmilzt. Und jetzt stellen Sie sich also mal vor, Ihr Bürgermeister würde sagen: «Nachdem der erwiesene Haushaltsexperte Butzko seine von euch bezahlte Meinung frei geäußert hat, habt ihr euch alle auch danach zu richten.»(...)
Denn diese Gesetzesvorschriften haben einen wunderbaren Effekt. Wenn nämlich genau diese drei Rating-Agenturen jetzt z. B. bei griechischen Staatsanleihen den Daumen senkten und verkündeten: «Griechenland Kalinix-da!», hat trotzdem die ganze Welt wieder auf sie gehört. Und das, obwohl inzwischen allen bekannt war, dass man diesen drei Rating-Agenturen trauen darf wie einem Doktortitel im deutschen Adelsgeschlecht. Und hastdunichtgesehen verloren sämtliche griechischen Staatsanleihen an Wert. Und warum? Weil unsere Regierung ihnen genau das vorgeschrieben hat, dass sie dann nämlich an Wert zu verlieren haben.
(...)
Mir ist einmal zu Ohren gekommen, dass diese Rating-Agenturen bei den letzten zehn wichtigen Entscheidungen siebenmal danebengelegen haben sollen. Wenn das zutrifft, hat also nicht mal die Hälfte gestimmt. Das heißt, eigentlich müsste nur im Gesetzbuch stehen: «Wenn eine Rating-Agentur ihre Meinung äußert, muss man unbedingt das Gegenteil machen.» So hätte man immer noch eine höhere Trefferquote.
(...)"
RE: The Good Stuff
in Quasselecke 05.10.2011 23:55von fez fotzenhobel • Besucher | 1.242 Beiträge
hmm ja, aber irgendwie sind diese geschichten z. t. einfach zu ernst, um sie so darzustellen. ich glaube bei einigen reicht die phantasie im zweifel noch soweit, über die komik bzw. tragik dieser vorgänge lachen zu können, die form der darstellung könnte aber dafür sorgen, dass der sinn für die eigentliche, m. e. berechtigte, kritik abhanden kommt.
will sagen, mache doofies kapieren nicht, dass das nicht nur witzchen sind.
RE: The Good Stuff
in Quasselecke 06.10.2011 10:02von Mr. Remmington • Besucher | 4.499 Beiträge
RE: The Good Stuff
in Quasselecke 06.10.2011 11:25von Mr. Remmington • Besucher | 4.499 Beiträge
RE: The Good Stuff
in Quasselecke 06.10.2011 20:06von joe hennessy • Besucher | 2.481 Beiträge
Zitat von Heinz
Ebenfalls genial ist Butzkos Abhandlung über RATING-AGENTUREN.
Dazu fällt mir spontan das folgende Video ein: Chin Meyer über Fusel-Anleihen
Ist zwar bei dem grausamen Markus Lanz, aber der Beitrag lohnt sich trotzdem, auch wenn man gute viereinhalb Minuten seines Lebens dafür opfern muss.
Weist auch an einigen Stellen gewisse Parallelen zu Butzko auf.
Btw, Butzko ist super, abonniert alle den Newsletter! Hat der Papa aber afaik auch schonmal empfohlen ...
RE: The Good Stuff
in Quasselecke 07.10.2011 09:14von Mr. Remmington • Besucher | 4.499 Beiträge
RE: The Good Stuff
in Quasselecke 11.10.2011 13:48von Mr. Remmington • Besucher | 4.499 Beiträge
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